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Die Wahrheit beginnt zu zweit - oder: das Wesen des Zwiegesprächs

Die Kommunikationsform des „Zwiegesprächs“ wurde von Prof. Dr. Michael Lukas Moeller (1937-2002) und seiner Frau Celia Fatia als Selbsthilfemethode für Paare entwickelt – sie nannten es „Das wesentliche Zwiegespräch“.

Die Partner stärken ihre Kommunikationsfähigkeiten, sie lernen besser reden und zuhören zu können und sich gegenseitig in den anderen einzufühlen. Dadurch entstehen tieferes Vertrauen und ein lebendiges Miteinander, wodurch sich das Paar weiterentwickeln kann. Das Zwiegespräch kann als Gesprächsform für Paare verwendet werden, aber auch für alle anderen Arten von Beziehungen.


Das Zwiegespräch in der Partnerschaft

Zwiegespräche vertiefen die Partnerschaft durch eine Fülle von Momenten, die den meisten nicht bewusst werden, vor allem durch die Steigerung der wechselseitigen Einfühlung. Dabei berichtet jeder dem anderen, wie er sich selbst, den anderen, die gemeinsame Beziehung und die jeweilige Situation gerade erlebt.

Dieser „Austausch von Selbstportraits“ überwindet auf einfache und oft verblüffende Weise die sich nach und nach einschleichende Beziehungslosigkeit, die sonst zu einem inhaltsleeren Nebeneinander statt zu einem lebendigen Miteinander führt.


Zwei Dinge sind wichtig:

1. Nimm dir einmal in der Woche 90 Minuten ungestört Zeit.

2. Sorge dafür, dass du das regelmäßig tust.


Die Regelmäßigkeit

Die Regelmäßigkeit der Zwiegespräche ist sehr wichtig, damit der „unbewusste rote Faden“ bestehen bleibt und weitergesponnen werden kann.

Sie verhindert, dass Konflikte aufgeschoben werden und spart Energie, weil Konflikte schon im Entstehen angesprochen und bearbeitet werden können.


Die Themen

Jeder antwortet auf die innere Frage:

"Was bewegt mich im Moment am stärksten?"


Du schilderst, wie du dich, den anderen und die Beziehung erlebst.

Jeder bleibt also bei sich. Das Gespräch hat kein anderes Thema.

Das können Gefühle in der Beziehung sein, aber auch Konflikte am Arbeitsplatz oder Träume. Wichtig ist, dass du von dir sprichst und dich deinem Partner oder deiner Partnerin mitteilst.

„Mitteilen“ kommt von „Teilen“. Teile mit deinem Partner, was dich in deinem Leben bewegt.


Zwiegespräche sind kein Offenbarungszwang. Jeder entscheidet für sich, was er sagen möchte, auch wenn größtmögliche Offenheit in der Regel am weitesten führt. Nur so können wir einander wirklich miterleben.


Regeln für das Zwiegespräch


  • Schaffe eine Atmosphäre, in der Ihr gut miteinander reden könnt. Achte darauf, dass Ihr 90 Minuten lang ungestört bleiben könnt und lasst Euch nicht unterbrechen.


  • Dazu sucht beide einen festen Termin in der Woche, der am wenigsten durch anderes gestört wird. Dieser Haupttermin reicht jedoch erfahrungsgemäß nicht aus. Es ist günstig, auch gleich einen festen Ersatztermin zu vereinbaren, der dann gilt, wenn der Haupttermin ausfallen muss.


  • Die folgende Viertelstundenregelung hat sich bewährt: Jeder hat fünfzehn Minuten ganz für sich, die er für Sprechen oder Schweigen verwenden kann. Danach ist der andere an der Reihe für seine Viertelstunde. Am Ende der 90 Minuten ist das Gespräch beendet. Es wird nicht „nachdiskutiert“.


  • Gehe von dir aus und sprich in der „Ich-Form“. Angriffe und die daraus resultierende Verteidigung entstehen nur durch die „Du-Form“. Wer in der „Ich-Form“ spricht, macht keine negativen Aussagen über den Partner. Sprich über deine eigenen Gefühle und Wünsche.


  • Achte darauf, ob du diese Gefühle schon von früher her kennst (wenn du diese Gefühle schon aus der Kindheit oder von früheren Partnerschaften her kennst, hilft es dir, den Vorwurf an den jetzigen Partner zu entschärfen).


  • Stelle keine Fragen. Mit Fragen kannst du den Partner in die Enge treiben – dann kann er sich nicht mehr auf das konzentrieren, was er eigentlich sagen wollte, sondern ist mit der Beantwortung deiner Frage beschäftigt.


  • Erteile keine Ratschläge – „Ratschläge können auch Schläge sein“. Ein wichtiger Grundsatz im Zwiegespräch ist, dass jeder bei sich bleibt und an sich selbst arbeitet.


Einige Erfahrungen können für den Anfang hilfreich sein...

Du kannst den anderen nie ändern, obwohl du gerade das vielleicht am liebsten tun würdest. Mit Glück gelingt es dir, dich selbst zu ändern. Dann ändert sich die Beziehung als Ganzes.

Oft versuchen wir, den seelischen Schwerpunkt im Gespräch von uns selbst auf den anderen zu verschieben. Dann befinden wir uns mit unserem Erleben beim anderen - und haben uns selbst vermieden.

Wenn du im Zwiegespräch deinem Partner Vorwürfe machst, dann solltest du genau diese Vorwürfe auf dich selbst "übersetzen". Denn fast ausnahmslos machen wir Vorwürfe, um einen unbewussten Druck von Selbstvorwürfen loszuwerden.

Ein starker unbewusster Widerstand versucht, die Zwiegespräche zu verhindern. Oft sorgt er für den

Ausfall eines Gesprächs, um dann alles im Sande verlaufen zu lassen. Deshalb kann man sagen: Regelmäßigkeit ist alles - der Rest kommt von selbst...





Fünf Einsichten machen den "Geist" von Zwiegesprächen aus

Diese Einsichten sind Entwicklungsziele, nicht etwa vollendete Tatsachen oder vorgegebene Regeln. Sie gleichen eher einer Sprache der Zweierbeziehung. Wir können sie mit der Zeit erlernen. Jede Einsicht bringt eine Reihe fundamentaler Änderungen im Alltag des Paares mit sich.



1. Wir können lernen, von der wechselseitigen Unkenntnis auszugehen, statt von der gleichen Wellenlänge:

"Ich bin nicht du und weiß dich nicht.”


2. Wir können lernen, unser gemeinsames unbewusstes Zusammenspiel wahrzunehmen, statt uns als zwei unabhängige Individuen aufzufassen:

"Wir sind zwei Gesichter einer Beziehung und sehen es nicht."


3. Wir können lernen, regelmäßige wesentliche Gespräche als Herz und Kreislauf einer lebendigen Beziehung zu begreifen, statt mit Worten unsere Beziehung nur noch zu verwalten:

"Dass wir miteinander reden, macht uns zu Menschen."


4. Wir können lernen, in konkreten Beispielen statt in abstrakten Begriffen zu sagen, was wir meinen:

"In Bildern statt in Begriffen sprechen."


5. Wir können lernen, auch unsere Gefühle als unbewusste Handlungen mit geheimer Absicht zu verstehen, statt zu meinen, sie überkämen uns wie Angst und Depression von innen oder würden uns von außen zugefügt, wie Kränkung und Schuldgefühl:

"Ich bin für meine Gefühle selbst verantwortlich."



Die Zusammenfassung in Kürze


  • Vereinbare einen Haupt- und einen Nebentermin von 90 Minuten Dauer pro Woche.

  • Setzt Euch im Zwiegespräch face á face gegenüber.

  • Das Thema lautet: „Ich erzähle dir, was mich zurzeit am stärksten bewegt.“

  • Schweigen und schweigen lassen, wenn es sich ergibt – Zwiegespräche sind kein Offenbarungszwang.

  • Beachte (zumindest für die erste Zeit) die Viertelstundenregelung:

  • Die erste Viertelstunde hat der Eine, die nächste der Andere – dann noch zweimal wechseln.

  • Pünktlich beginnen, pünktlich aufhören. Zwiegespräche nie verlängern oder verkürzen.

  • Bei sich bleiben – du hast in der Welt des Anderen nichts zu suchen.

  • Bildersprache: Erläutere dich in kleinen, konkret erlebten Szenen.




(Zusammenfassung nach M. L. Moeller und C. M. Fatia)

Weiterführende Literatur: Michael Lukas Moeller: "Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch"




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